Tuesday, September 30, 2014

Aufstieg und Fall großer Mächte von Tom Rachman




   
    
    
    Exemplar:

    Aufstieg und Fall großer Mächte
    Tom Rachman
    dtv
    Seiten: 489
    ISBN: 978-3-423-28035-8







Beginn:

Sein Bleistift schwebte über dem Verkaufsbuch, stieß, wenn Fogg einer Behauptung Nachdruck verleihen wollte, zum Blatt hinab, bis die Bleistiftspitze aufs Papier traf, stieg gleich darauf wie ein Kunstflieger auf, um dann, wenn er wieder etwas betonte, erneut im Sturzflug niederzugehen, wodurch der immer stumpfer werdende Stift ein Sternbild von Punkten rund um jenen einsamen Eintrag dieses Morgens hinterließ, der den Verkauf eines gebrauchten Exemplares von >Landschnecken in Großbritannien< von A.G. Brunt-Coppell (Preis: 3,50 £) festhielt.

Handlung:

Tooly scheint endlich angekommen zu sein. Als Besitzerin einer kleinen Buchhandlung "World's End" in einem kleinen walisischen Städtchen, braucht sie nichts anderes zu tun, als sich ihrer größten Leidenschaft, dem Lesen, hinzugeben. Der Laden läuft zwar nicht gut, aber sie hat gelernt auf sich aufzupassen und zu überleben. Die Harmonie dieses Momentes wird durch eine Nachricht eines Exfreundes von ihr aus New York gestört. Ihr Vater sei krank und würde es nicht mehr lange schaffen, ob sie nicht zurückkommen könnte, um sich um ihn zu kümmern? Er hätte dies bis jetzt getan, aber er hat nun eine Familie und einen anstrengenden Job, der ihn sehr einnehmen würde. Tooly ist erstaunt, von welchem Vater spricht er eigentlich?
Sie reist zurück nach New York und entdeckt ihren alten russischen Freund Humphrey, der jahrelang mit ihr zusammen gewohnt hat, seitdem sie 10 Jahre alt war und sie erzogen hat. Nur spricht Humphrey nicht mehr mit seinem üblichen russischen Akzent, sonder in einem tadellosen und akzentfreien Englisch. Tooly beginnt sich Fragen zu stellen, die sie lange Zeit verdrängt hat und die nie geklärt wurden.
Alles hatte mit Paul begonnen, ihrem leiblichen Vater. Er hatte sie als Kleinkind entführt, um sie vor ihrer Mutter zu schützen, die nie wirklich auf ihr Kind acht gegeben hatte und sie wahrscheinlich verletzt und vernachlässigt hätte. Jahrelang ziehen Vater und Tochter durch die Welt, bleiben nirgendwo länger als ein Jahr. In Bangkok spürt Sara, Toolys leibliche Mutter, die 10jährige auf und überzeugt sie, bei ihr zu bleiben. Zusammen mit Venn, dem Geliebten ihrer Mutter, der zum Vorbild für Tooly werden sollte und Humphrey, einem pampigen, jedoch sehr liebevollen russischen Büchernarr, zieht sie um die Welt. Ohne es zu wissen, wird ihr alles genommen: sie wird keine Schule mehr betreten, gebildet wird sie von Humphrey, der ihr massig Bücher zu lesen gibt und mit ihr darüber diskutiert. Allerdings bekommt sie nur Sachbücher zu lesen, fiktionelle Romane verachtet er. Ihre Mutter ist keineswegs eine bleibende Konstante in ihrem Leben. Sie kommt und geht, verschwindet für Monate und ist eigentlich nur auf der Suche nach Venn, der keinerlei Gefühle für sie hat und sich nicht um sie schert. Mit der Zeit fühlt Tooly den Drang, sich von ihnen loszulösen und ihren eigenen Weg zu gehen, langsam brechen die Kontakte zu den Anderen ab, jedoch bekommt sie weiterhin Zahlungen auf ihr Konto, sodass sie nie das Gefühl hat alleine zu sein. Dass die vier doch aufeinander acht geben, auch nach all den Jahren. Die Überweisungen wurden jedoch an einem Punkt eingestellt, nie wieder hat sie etwas von Sara, Venn oder Humphrey gehört. Als sie die Anzeige zum Verkauf einer Buchhandlung gesehen hatte, hat sie nicht lang gezögert und diese gekauft. Eine feste Bleibe, einen Ort an dem man sich zu Hause fühlen kann.

Der Besuch bei Humphrey bringt wieder all ihre offenen Fragen auf, all die losen Enden ihrer Vergangenheit kommen zurück und somit beginnt ihre Reise zurück. Sie beginnt Sara, Venn, Paul und andere Wegbegleiter aus ihrer Vergangenheit aufzuspüren, um endlich zu verstehen, was wirklich wahr war und was nur eine Verzerrung der Wirklichkeit, geschaffen durch ihre kindliche Sichtweise und Naivität. Wer war wirklich Freund und wem hätte sie eigentlich nie trauen dürfen?

Ein grandioser Roman, der zeigt, wie wichtig es ist, sich mit den Geistern seiner Vergangenheit auseinander zu setzen und der auch zeigt, wie großartig eine liebevolle und langjährige Freundschaft sein kann und wie weit freundschaftliche Liebe gehen kann.

Leseeindruck:

Tom Rachman versteht sein Handwerk: Bruchstückenhaft erfährt der Leser mehr und mehr über Tooly's Vergangenheit. Wir reisen zusammen mit ihr durch drei Lebensabschnitte: als 10jährige in Bangkok, als 20jährige in New York und als 30jährige in Wales. Diese Zeitsprünge sind jedoch so gut gemacht, dass keine Verwirrung auftritt. Der Lesefluss wird nicht gestört. Ganz im Gegenteil: es ist wahnsinnig interessant sich immer wieder auf andere Lebenssituationen einzulassen und man lernt immer mehr, wieso Tooly der Mensch geworden ist, der sie nun ist.

Bewertung: 

Dies war wirklich eines der besten Bücher, das ich jemals gelesen habe. Tom Rachman schreibt unheimlich gut, seine Texte sind sehr intelligent geschrieben, aber ohne übertriebene Spannungsbogen aufbauen zu müssen. Es ist wirklich ein Genuss seine Bücher zu lesen und jedes Mal, wenn ich eines seiner Bücher beendet habe, fand ich es ungemein traurig nicht mehr in der dargestellten Welt zu sein und mich von den Charakteren lösen zu müssen. 

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